Ein Engel über Berlin

Die Räder rollen, ich reise in einem entspannten Großraumabteil heimwärts. Die letzten 48 Std in Berlin sind jetzt in der Erinnerung gefüllt mit vielen, vielen Bildern, Geräuschen und Gerüchen, Worten und unterschiedlichsten Gefühlen.

Viel Genuss ist dabei, immer wieder auch mal durchmischt von Schmerz und Ohnmacht gegenüber dem Elend in dieser Großstadt, die sich z.T. wandeln in Bewunderung und Respekt für die Anpassungsfähigkeit und den Mut der Menschen hier.

Am Montagmorgen hab ich mir ein Ziel gesucht und mich ohne vorgegebenen Weg dahin treiben lassen. Abgesehen von der Fülle an Eindrücken habe ich diesen Teil mit einem Haufen Fotos meines Wandelwesens abgeschlossen, die ich erst zuhause so richtig auswerten kann.
Am schönsten waren die Reaktionen der Spaziergänger um mich herum. Ein ca. 14jähriger Junge fragte mich: „Was ist das?“ Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet. Ein Teil von mir dachte: „Weiß ich nicht, ist mir auch egal, ich denke gerade nicht.“ Aber er wartete mit interessierten wachen Augen auf eine Antwort.

Um nicht einfach Offensichtliches zu beschreiben und weil ich es so cool finde, wie unterschiedlich die Dinge sind, die Menschen in dem Wandelwesen sehen, sagte ich: „Das ist, was man darin sieht.“ Fand ich eine schöne Antwort. Aber er ließ mich nicht damit durchkommen. Nach kurzem Überlegen: „Aber was ist das?“ Also doch das Offensichtliche, dachte ich: „Ein menschliches Wesen, das fliegen will.“

Ich konnte praktisch zusehen, wie der Teil seines Selbst, der sich gerade zu einem rationalen Erwachsenen entwickelte, aus der Erstarrung erwachte und die kindliche Neugier beiseite schob. Er begann, mir zu erklären, dass man mit 2 Federn nicht fliegen kann und abstürzt. „Du hast doch Fantasie!“ sagte ich. „Nein, hab ich nicht.“, war seine Erwiderung und damit wandte er sich zum Gehen. Ich hoffe sehr für ihn, dass er die harte Phase der Coolness gut überlebt, bis er wieder sehen kann, dass Fantasie und Neugier, wie Kinder sie so natürlich und im Überfluss haben, für die Psyche eines Erwachsenen eine große Kraftquelle sind… meine Meinung.

Unabhängig von einander haben die beiden nächsten Erwachsenen, die mich ansprachen, diese Sichtweise vertieft. Zuerst erzählte mir eine Frau, das erinnere sie an den Film „Engel über Berlin“. Diese Deutung gefiel mir, trotzdem widersprach ich dem Mann, der später kam und auch meinte: „Das ist bestimmt ein Engel.“ Ich sagte, wenn auch schon etwas zögernd: „Nein, nicht unbedingt.“ Woraufhin er mich nur weiter anlächelte, sich die Hand aufs Herz legte und sagte: „Ganz bestimmt ein Engel“

Jetzt habe ich mein Zuhause gleich wieder erreicht und denke gerade, dass ich doch wirklich von Engeln begleitet – nicht nur war, sondern auch – bin. Die normalen Hakeleien des Reiseverkehrs haben mich nicht beeinträchtigt und ich kehre zurück in ein warmes Nest. Was für ein Reichtum!! Zum Thema Ausstellung berichte ich morgen. Herzliche Grüße aus einem vollen Herzen.

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